Ein Arbeitnehmer ist von Beruf Straßenbahnfahrer und Administrator einer privaten Facebook-Gruppe. Auf dem von ihm eingestellten Bild sieht man eine auf dem Boden kniende Person, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole zeigt. Daneben steht von ver.di der Satz,
„VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“
Über diesen Beitrag beschwerten sich Beschäftigte der Arbeitgeberin. Sie fühlten sich durch den Beitrag bedroht. Nach Anhörung des Fahrers und des Personalrats sprach die Arbeitgeberin eine fristlose sowie eine ordentliche Kündigung aus.
Das Arbeitsgericht Berlin bestätigte eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens: Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Arbeitgeberin. Mit rund 1.000 Mitgliedern sei es außerdem ein mehr als überschaubarer Adressatenkreis. Zudem sei der Beitrag auf Außenwirkung angelegt gewesen.
Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt, die ordentliche Kündigung des Straßenbahnfahrers sei wirksam.
Meinungsfreiheit deckt keine konkrete Bedrohung. Es ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, die den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigen kann.
Fachanwalt für Arbeitsrecht/ Referent,
Kanzlei Sagsöz
Arbeitsgericht Berlin, Entscheidung vom 07.10.2024, 59 Ca 11420/24/ 59 Ca 8733/24
Quelle: https://www.betriebsrat.de/
Vor einer Kündigung wegen Krankheit muss der Arbeitgeber prüfen, ob er dem Beschäftigten den Arbeitsplatz erhalten kann. Dafür gibt es das Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements, an dem auch der Betriebsrat beteiligt ist. Zwingend vorgeschrieben ist das Verfahren nicht. Aber der Arbeitgeber muss darlegen können, warum das BEM in keinem Fall das Arbeitsverhältnis zu halten hätte – so das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz.
Im konkreten Fall kam im Streit um eine krankheitsbedingte Kündigung die Frage auf, ob der Arbeitgeber auf die Durchführung eines BEM verzichten konnte, wenn dieses keinen Erfolg versprechen könne. Der Arbeitnehmer hatte im Gespräch mit dem Arbeitgeber geäußert, seine Erkrankungen seien schicksalhaft gewesen. Sein Arbeitgeber könne nichts beitragen, damit er die Arbeitsunfähigkeit in Zukunft vermeiden könne.
Nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) ist die Durchführung des BEM vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Für eine wirksame personenbedingte Kündigung wegen Krankheit sind drei Anforderungen zu stellen. Zum einen muss eine so genannte negative Prognose vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Erkrankung voraussichtlich anhält. Zum anderen bedarf es einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Abläufe. Auf dritter Stufe muss die so genannte Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Die Interessen des Arbeitgebers und die des Arbeitnehmers müssen gegenüber gestellt werden, wobei die Kündigung als gravierendste Maßnahme des Arbeitgebers nur dann ausgesprochen werden darf, wenn andere Maßnahmen nicht möglich sind.
Genau in diesem Zusammenhang wird dann das BEM wichtig, als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bei nicht ordnungsgemäß durchgeführtem BEM oder unterlassenem Anbieten eines BEMs durch den Arbeitgeber ist die Kündigung unwirksam, da sie unverhältnismäßig ist.
Das BEM-Verfahren hat das Ziel, dass die Beteiligten wirksamere Mittel als die Kündigung finden, um die Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten zu überwinden und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten. Dazu zählt die Prüfung, ob der Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweisen oder einrichten oder eine Rehabilitationsmaßnahme durchführen kann. So soll einer „vorschnellen“ Kündigung entgegengewirkt werden und das Arbeitsverhältnis soll möglichst dauerhaft gesichert werden. Am Verfahren sind Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung beteiligt, wie § 84 Abs. 2 SGB IX anordnet.
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor einer krankheitsbedingten Kündigung anbieten, ein BEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als 6 Wochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit oder um häufige Kurzerkrankungen handelt. Der Arbeitgeber muss in solchen Fällen die Durchführung eines BEMs nach § 84 Abs. 2 SGB IX anbieten.
Es bestehen keine Fristen zur Durchführung des bEMs.
Das LAG stellt klar, dass den Arbeitgeber die so genannte Darlegungs- und Beweislast trifft, dass ein BEM im Einzelfall nutzlos ist. Er muss demnach umfassend und detailliert vortragen, warum auch die Durchführung eines BEM keinen Einfluss auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten hätte. Er müsse erläutern, warum ihm keine anderen Möglichkeiten blieben, die milder als eine Kündigung sind. Dabei könne er sich nicht auf eine bloße Aussage des Arbeitnehmers berufen, dass die Erkrankungen »schicksalhaft« seien. Der Arbeitgeber sei dadurch nicht von seiner Darlegungs- und Beweislast befreit, da die Aussage nicht bindend für weitere Arbeitsunfähigkeiten aufgrund von Krankheitsfällen sei. Der Arbeitgeber müsse vielmehr erläutern, warum auch die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen die krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht verringert hätten.
Da der Arbeitgeber im hier entschiedenen Fall diese Beweislast nicht erfüllt hat, hat das Gericht die Kündigung für rechtswidrig erklärt und die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.
Weitere Informationen: Rechtsanwalt Sagsöz/ Bonn,
Arbeitsrecht Dezernat 0228 9619720
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Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, 10.01.2017 Aktenzeichen: 8 Sa 359/16 Landesrechtsprechungsdatenbank Rheinland-Pfalz
Wann eine Entscheidung über den Urlaubsantrag getroffen sein muss, ist gesetzlich nicht geregelt.
Laut Arbeitsrecht ist die Urlaubsplanung durch ein paar Ausnahmen reglementiert. Zwar kann ein Arbeitnehmer seine Erwartungen und Wünsche äußern, aber dringende betriebliche Belange und die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer können dem entgegenstehen.
Bei der Berücksichtigung von Kollegen müssen soziale Gesichtspunkte Vorrang haben in der Beurteilung, wer zu welchem Zeitpunkt Urlaub nehmen darf.Das Urlaubsrecht mit Kindern sieht Ausnahmen vor.
Das Urlaubsrecht für Arbeitnehmer mit Kindern ist hier zu bevorzugen. Vor allem wenn es um die großen Sommerferien geht, ist dies zu berücksichtigen. Das gesonderte Urlaubsrecht mit Kindern greift bei Mitarbeitern, deren Kinder unter 14 Jahre alt oder generell schulpflichtig sind.
Außerdem ist zu beachten, dass der Urlaub zusammenhängend gewährt werden sollte. Hierbei gelten die oben genannten Ausnahmen.
Wenn gesetzlich gestatteter Urlaub geteilt werden muss, sind jedoch mindestens 12 Tage zusammenhängend dem Arbeitnehmer zuzubilligen.
Sollte der Arbeitnehmer mit dem erteilten Urlaub nicht einverstanden sein oder wurde ihm gar kein Urlaub zugesprochen, darf er nicht eigenmächtig den Urlaub antreten. In einem solchen Fall sollten Sie eher den Weg zum Arbeitsgericht bevorzugen und auf Urlaubserteilung klagen.
Übertragbarkeit laut Urlaubsrecht für den ArbeitnehmerJeder Mitarbeiter ist angehalten im laufenden Kalenderjahr den Urlaub zu nehmen. Gleiches gilt seitens des Arbeitgebers. Dieser muss innerhalb des Jahres den Urlaub gewähren.
Auch hier können betriebliche oder persönliche Bedingungen herrschen, die dieser Regelung entgegenstehen. Daraus ergibt sich wiederum eine Ausnahme. Der Jahresurlaub ist bis zum spätestens Ende März des Folgejahres in Anspruch zu nehmen.
Die Unternehmensmitbestimmung steht auf dem Prüfstand. Der EuGH prüft, ob die Mitarbeiterbeteiligung in Aufsichtsräten europarechtskonform ist. Am 24.1.2017 ist eine öffentliche Anhörung geplant. Ein negatives Urteil könnte massiven Schaden anrichten. Die Gewerkschaften laufen Sturm. Man darf gespannt sein.
Aktionäre des TUI Konzerns klagten bis zum EuGH mit dem Vorwurf, die deutsche Mitbestimmung sei bei internationalen Unternehmen diskriminierend. Es geht um die Besetzung im Aufsichtsrat. Die Gremien großer deutscher Unternehmen werden von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite besetzt. Doch im Ausland beschäftigte Mitarbeiter sind außen vor; sie können weder den Aufsichtsrat mitwählen noch dafür kandidieren. Dies schränke die Arbeitnehmerfreizügigkeit massiv ein.
Bei TUI – so die Kläger – befänden sich deutlich mehr als die Hälfte der Mitarbeiter im Ausland, hätten damit keinen Sitz im deutschen Aufsichtsrat. Zur Überraschung vieler hat die Europäische Kommission die Kläger unterstützt. Der DGB hingegen vermutet, dass es dem Kleinaktionär bei TUI nicht um eine Verbesserung der Mitbestimmungsrechte, sondern eher um eine Abschaffung geht – so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.
Viele Juristen, etwa der Göttinger Professor Dr. Rüdiger Krause, halten die Argumentation der Kläger für konstruiert. Es sei normal, dass Deutschland nicht in die Rechte anderer Länder eingreife und ihnen Regeln zur Aufsichtsratwahl vorschreiben könne. Es sei – so Krause – auch »völlig normal, dass sich bestimmte Rechtsansprüche verändern, wenn Beschäftigte zu einem Betrieb ins Ausland wechseln, zum Beispiel beim Kündigungsschutz.« Es komme auch niemand auf die Idee, in deutschen Niederlassungen französischer Konzerne müsste das französische Streikrecht gelten.
RA Sagsöz, Bonn Quelle: DGB, Meldung vom 22.09.2016 www.zeit-online.deWer sich während eines Mobbing-Prozesses negativ über Arbeitgeber äußert, muss damit rechnen, dass ihm daraufhin gekündigt wird.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat klargestellt, dass solche Äußerungen zwar unter die Meinungsfreiheit fallen, allerdings eine negative Prognose hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit begründen können.
Während eines Rechtsstreits um Schadensersatzansprüche wegen Mobbings hatte der Beschwerdeführer eigenmächtig telefonisch Kontakt mit dem Anwalt der Arbeitgeberin aufgenommen und den Vorwurf erhoben, dass im Gütetermin Lügen und Verleumdungen über ihn verbreitet wurden seien.
Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Auf die Berufung der Arbeitgeberin löste das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 KSchG gegen eine Abfindung auf. Dagegen wehrte sich der Kläger mit einer Verfassungsbeschwerde – er sah unter anderem sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.
Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Begründung: »Weder hat sie grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).« Das Landesarbeitsgericht habe an die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu Recht strenge Anforderungen gestellt und dadurch das Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses als seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage berücksichtigt, dem das Kündigungsschutzrecht auch in Ausprägung des Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 97, 169 <175> m.w.N.).
Bei der Prüfung, ob eine weitere Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien zu erwarten ist, dürften zum Nachteil des Arbeitnehmers auch Äußerungen aus dem laufenden Gerichtsprozess berücksichtigt werden, so die Karlsruher Richter. Grundsätzlich seien allerdings auch wertende Äußerungen im Prozess durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt und, soweit sie im Hinblick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtsdurchsetzung geeignet und erforderlich erscheinen, gleichzeitig durch Art. 103 Abs. 1 GG.Verfahrensbeteiligte dürfen daher in gerichtlichen Auseinandersetzungen auch starke, eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen, um die eigene Rechtsposition zu unterstreichen (vgl. etwa BVerfGE 76, 171 <192>). Diese Maßgaben sind gerade dann zu beachten, wenn ein Anspruch wegen Mobbings geltend gemacht wird, da Beschäftigte in diesem Zusammenhang unerlaubte Handlungen des Arbeitgebers darlegen und beweisen müssen und sich zwangsläufig negativ über den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder auch Kolleginnen und Kollegen äußern, so das BVerfG.
Dies habe das Landesarbeitsgericht beachtet. Die Äußerungen im Prozess dienen bei der Prognose als Beleg für eine verfestigte negative Einstellung des Beschwerdeführers zu seiner Arbeitgeberin, seinen Vorgesetzten und seinen Kollegen, die auch an zahlreichen anderen Stellen zum Ausdruck gekommen sei. Die darauf beruhende Entscheidung, ob diese Umstände im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, ist nicht vom Bundesverfassungsgericht zu treffen, sondern Sache der Fachgerichte.
RA Sagsöz, Anwalt, Bonn
Quelle: Bundesverfassungsgericht, 08.11.2016 Aktenzeichen: 1 BvR 988/15
Der Kündigungsschutz von Schwangeren wurde gestärkt: Bei einer künstlichen Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) gilt das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle und nicht erst mit der erfolgreichen Einnistung – so das BAG.
Eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung. Dies hat der Zweite Senat des (BAG) jetzt entschieden und damit – wie schon die Vorinstanzen – der Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin stattgegeben.
Die Klägerin genoss bei ihrem Zugang wegen des zuvor erfolgten Embryonentransfers den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.
Die Kündigung verstößt zudem gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. §§ 1, 3 AGG. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. Februar 2008 (C-506/06) entschieden, es könne eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen werde, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen habe.
Im Streitfall durfte das Landesarbeitsgericht nach den gesamten Umständen davon ausgehen, dass die Kündigung wegen der (beabsichtigten) Durchführung einer solchen Behandlung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde.
BAG, Urteil vom 26.03.2015
Rechtsanwalt Sagsöz, Bonn
Quelle Beck Verlag
Das Neutralitätsgebot an öffentlichen Schulen rechtfertigt es nicht, muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs generell zu verbieten, entschied das Bundesverfassungsgericht. Damit sind auch Abmahnungen und Kündigungen rechtswidrig, die auf das Verbot gestützt werden.
Auch wir bearbeiten derartige Fallkonstellationen, welche wegen der Anhängigkeit beim BVerfG ausgesetzt wurden. Nun ist die Entscheidung endlich da.
Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 des Schulgesetzes für Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) dürfen Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen keine religösen Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zu oder den Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. In Nordrhein-Westfalen wurde Lehrerinnen untersagt, während des Dienstes in der Schule als Audruck ihres muslimischen Glaubens ein Kopftuch zu tragen. Bei fortgesetzter Weigerung, das Kopftuch abzulegen, sprachen das Land bzw. die Schulbehörde Abmahnungen und im Wiederholensfalle Kündigungen aus. Zwei Klägerinnen, die wegen des Tragens eines Kopftuchs abgemahnt worden waren, erhoben Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen auf und verwies die beide Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die zuständigen Landesarbeitsgerichte (LAG) zurück. Bei ihrer neuen Entscheidung müssen die Gerichte Vorgaben beachten:
Der Erste Senat des BVerfG entschied mit 7 von 9 Richterstimmen, dass die Entscheidungen des BAG und der Landesgerichte die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzt haben. Dieses Grundrecht gewährleiste auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen.
Der mit dem Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen verbundene Eingriff in die Glaubensfreiheit der Beschwerdeführerinnen wiege schwer. Sie hätten plausibel dargelegt, dass es sich für sie – entsprechend dem Selbstverständnis von Teilen im Islam – um ein als verpflichtend verstandenes religiöses Bedeckungsgebot in der Öffentlichkeit handelt. Das Verbot berühre zudem nachvollziehbar ihre persönliche Identität, so dass das Verbot dieser Bedeckung im Schuldienst für sie sogar den Zugang zum Beruf verstelle (Art. 12 Abs. 1 GG).
§ 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 und § 58 Satz 2 SchulG NW greifen in diese Grundrechte ein, soweit Pädagoginnen und Pädagogen durch Kleidung und äußeres Erscheinungsbild eine religiöse Bekundung abgeben. Die Bestimmungen müssen daher im Sinne der Grundrechte einschränkend ausgelegt werden.
Soweit die Arbeitsgerichte § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW so ausgelegt haben, dass schon eine eine bloß abstrakte Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität genügt, um das Tragen eines Kopftuchs zu untersagen, sei dies unverhältnismäßig, entschied das BVerfG. Grundsätzlich verfolge das Verbot religiöser Bekundungen zwar legitime Ziele, nämlich die Wahrung des Schulfriedens und der staatlichen Neutralität.Diese Ziele würden aber durch das bloße Tragen eines islamischen Kopftuchs oder anderer Symbole wie der jüdischen Kippa oder ein christliches Nonnen-Habit nicht beeinträchtigt. Daher sei ein Kopftuchverbot erst dann zu rechtfertigen, wenn im Einzelfall eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität feststellbar ist. Selbst dann werde jedoch zuerst eine anderweitige pädagogische Verwendungsmöglichkeit der Betroffenen in Betracht zu ziehen sein.
RA Alpan Sagsöz 0228 9619720
Auf einer Intensivstation eingesetzte Pflegekräfte werden dort nicht selbstständig, sondern als – gegebenenfalls befristet beschäftigte – Arbeitnehmer tätig. Die Klinik muss daher für sie Sozialversicherungsbeiträge zahlen, wie das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 26.11.2014 entschieden hat (Az.: 8 R 573/12). Die Entscheidung betreffe bundesweit eine große Zahl von Fällen. Immer häufiger würden in deutschen Krankenhäusern Belastungsspitzen im Pflegebereich durch den Einsatz «freier», vermeintlich auf selbstständiger Basis arbeitender Pflegekräfte aufgefangen.
Geklagt hatte ein 39-jähriger Krankenpfleger, der auf der Basis sogenannter Dienstleistungsverträge in den Intensivstationen verschiedener Krankenhäuser, im Streitfall eines Krankenhauses in Radolfzell, tätig wird. Er hatte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Feststellung beantragt, dass er diese Arbeit als Selbstständiger verrichte und daher nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliege. Unter anderem trug er vor, er könne sich die Patienten, die er auf der Intensivstation pflege, unabhängig von der ärztlichen Leitung, der Pflegedienst- oder der Stationsleitung selbst aussuchen, unterliege auch sonst in geringerem Maße als angestellte Pflegekräfte ärztlichen Weisungen und halte sich bei seiner Arbeit nicht an die individuellen Qualitätsstandards der Klinik, sondern an Nationale Expertenstandards. Vor dem Sozialgericht Köln hatte der Kläger Erfolg. Hiergegen legte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Erfolg Berufung ein.
Das LSG Nordrhein-Westfalen sah die Voraussetzungen einer abhängigen, zur Sozialversicherung führenden Beschäftigung als gegeben an. Ausschlaggebend hierfür sei die vollständige Eingliederung des Klägers in die organisatorischen Abläufe der Intensivstation, die am Wohl der schwerstkranken Patienten als oberstem Gebot orientiert sein müssten und daher in allen entscheidenden Punkten ärztlichen Vorgaben unterlägen. Die in diesem engen Rahmen möglicherweise gegenüber angestellten Pflegekräften etwas größeren Freiheiten des Klägers reichten nicht aus, von weitgehender Weisungsfreiheit auszugehen, wie sie typisch für einen selbstständigen Unternehmer sei. Da der Kläger darüber hinaus nach geleisteten Stunden bezahlt werde, trage er auch kein unternehmertypisches wirtschaftliches Risiko.
Eine Bankangestellte, die mit einer Generalvollmacht mehrfach Geld von einem Konto ihrer Mutter auf eigene Konten umgebucht hat, kann deswegen nicht fristlos gekündigt werden, auch wenn sie dadurch gegen Geschäftsanweisungen ihres Arbeitgebers verstößt.
Eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen, entschied das LAG Düsseldorf.
Die Klägerin war seit dem Jahr 2008 bei dem beklagten Geldinstitut beschäftigt und Vorgesetzte von drei und später zwei Teams. Sie verfügte über eine Generalvollmacht über das bei der Beklagten geführte Sparbuch ihrer Mutter. Über das Sparbuch verfügte die Klägerin in den Jahren 2010 bis 2012 insgesamt 33 mal online und buchte Beträge zwischen 500 Euro und 12.000 Euro um und zwar 29 Mal auf ihr eigenes Konto, drei Mal auf ein Konto ihrer Mutter und einmal auf das Sparbuch ihrer minderjährigen Tochter.Die Zahlungsvorgänge wurden wie vorgesehen im Rahmen des Vier-Augen-Prinzips jeweils durch einen weiteren Mitarbeiter freigegeben. Die internen Geschäftsanweisungen des Geldinstituts sahen indes u.a. vor, dass die Mitarbeiter in eigenen Angelegenheiten weder entscheidend noch beratend mitwirken dürfen, wenn die Entscheidung ihnen selbst, ihrem Ehegatten oder einem Verwandten bis zum Dritten Grad einen unmittelbaren Vorteil bringen kann. Das Bankinstitut erhielt Kenntnis von den Buchungen aufgrund einer Nachfrage eines Erben der inzwischen verstorbenen Mutter der Klägerin.
Ebenso wie das Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 02.05.2014 – 4 Ca 142/14 lev) hat das Landesarbeitsgericht (LAG )Düsseldorf festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die daraufhin von der Beklagten – fristlos und hilfsweise fristgerecht – ausgesprochenen Kündigungen nicht aufgelöst worden ist. Unstreitig hatte die Klägerin im Verhältnis zu ihrer Mutter die Verfügungen berechtigt vorgenommen.
Gleichwohl lag in ihrem Verhalten eine erhebliche Pflichtverletzung, weil sie aufgrund der Anweisungen des Geldinstituts nicht berechtigt war, als Mitarbeiterin Buchungen zu ihren Gunsten vorzunehmen. Dadurch sollte bereits der Anschein einer Interessenkollision vermieden werden. Die Pflichtverletzung war aber nicht so schwerwiegend, dass auf sie nicht noch durch eine Abmahnung ausreichend reagiert werden konnte. Maßgeblich ist im Kündigungsrecht das Prognoseprinzip. Nach dem festgestellten Sachverhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war nicht davon auszugehen, dass eine Abmahn ung von vornherein erfolglos gewesen wäre und nicht zu einer Verhaltensänderung der Klägerin geführt hätte. Der von der Beklagten in der zweiten Instanz gestellte Auflösungsantrag war unbegründet. Es lagen keine Auflösungsgründe vor, die wesentlich über den Kündigungsvorwurf hinausgingen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2014 Aktenzeichen 17 Sa 637/14 Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 05.11.2014