Arbeitsgericht Köln
Die Stadt Köln hat einer Mitarbeiterin nach 20 Jahren gekündigt, weil sie an dem von Correctiv aufgedeckten Treffen in Potsdam teilgenommen hatte.
Die Stadt Köln durfte ihrer Mitarbeiterin Simone Baum deswegen aber nicht kündigen.
Das hat das Arbeitsgericht Köln auf die Kündigungsschutzklage hin entschieden (Urt. v. 03.07.2024, Az. 17 Ca 543/24).
Teilnahme am Potsdamer Treffen als Kündigungsgrund
Die Stadt hatte die Frau sogar mehrfach gekündigt, nachdem sie von deren Teilnahme an dem Treffen in Potsdam erfahren hatte. Dort sollen radikale Rechte über einen „Masterplan für Deutschland“ gesprochen haben. Weil die Mitarbeiterin schon über 20 Jahre bei der Stadt angestellt ist, konnte die Stadt ihr nicht mehr ordentlich kündigen und sprach mehrere außerordentliche Kündigungen aus.
Nach Ansicht der Stadt hatte die sie mit ihrer Teilnahme gegen ihre Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber verstoßen.
Allein die Teilnahme an dem Treffen rechtfertige im konkreten Fall allerdings keine außerordentliche Kündigung, entschied das Arbeitsgericht Köln. Baum treffe aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit keine gesteigerte politische Treuepflicht, sondern nur eine einfache, teilte das Kölner Gericht mit. Geschuldet sei bei Simone Baum wegen ihrer konkreten Position bei der Stadt lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung der Tätigkeit unabdingbar sei.
Was die Arbeitnehmer in der Freizeit machen, ist grundsätzlich Privatangelegenheit. Das ist richtig und auch vom Grundsgesetz so gefordert, sowohl im öffentlichen Dienst, als auch bei anderen Arbeitgebern/ Arbeitsverträgen zu beachten. Eine leichte Tendenz der Rechtsprechung, dass der private Bereich -trotz dieses Falles- ansonsten eher „aufgestoßen“ wird, ist aber wohl derzeit zu beobachten. Man wird sehen, wohin diese Tendenz sich die kommenden Jahre entwickeln wird.
Fazit
Das galt nach dem ArbG auch im vorliegenden Fall bei einer Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Diese habe zwar erhöhte Rücksichtnahmepflichten aufgrund ihres Amtes und man dürfe von ihr eine gesteigerte Loyalität erwarten. Die bloße Teilnahme an einem Treffen, auf dem fremdenfeindliche Äußerungen getätigt worden sein sollen, reiche dafür nicht aus.
Vorliegend war die Arbeitnehmerin im allgemeinen Beschwerdemanagement tätig. Wäre die Arbeitnehmerin in leitender Funktion in der Ausländerbehörde tätig, wäre das Urteil womöglich anders ausgefallen.
Das Arbeitsgericht Berlin hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Pharmaunternehmen einem mit HIV infizierten Arbeitnehmer, der als chemisch-Technischer Assistent bei dem Unternehmen beschäftigt war, wegen dessen HIV-Infektion noch während der Probezeit gekündigt hatte. Der Arbeitnehmer erachtete die Kündigung für unwirksam und sah sich zudem wegen einer Behinderung diskriminiert, was zu einer Entschädigungspflicht des Arbeitgebers nach dem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) führe. Der Arbeitgeber berief sich hingegen darauf, dass die Kündigung aus Gründen der Arbeitssicherheit unumgänglich gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Das Kündigungsschutzgesetz finde vorliegend keine Anwendung, da der Arbeitnehmer noch keine sechs Monate in dem Betrieb beschäftigt war, so dass die Kündigung vom Arbeitsgericht nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung hin überprüft werden könne. Die Kündigung sei auch nicht willkürlich erfolgt, da die von der Beklagten genannten Gründe für die Kündigung nachvollziehbar seien. Schließlich sei in der Kündigung auch keine Diskriminierung wegen einer Behinderung zu sehen. Die HIV-Infektion an sich beeinträchtige nicht die Erwerbsfähigkeit des Arbeitnehmers und sei daher keine Behinderung im Rechtssinne.
Verfasser Rechtsanwalt Sagsöz
Quelle: Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin Nr. 31/11 vom 05.08.2011
Das Bundesarbeitsgericht hat am 7. Juli 2011 in seinem Urteil festgestellt:
Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Die Beklagte konnte die Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an. Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Der Senat hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.
Verfasser: Rechtsanwalt Sagsöz
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 –