Kündigt ein Arbeitgeber einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, ist die Kündigung unwirksam, wenn in ihr eine Benachteiligung wegen der Erfüllung dieser Sonderaufgabe zu sehen ist.
Fehlt es an einer Zustimmung des Betriebsrats zur Abberufung, folgt daraus nicht zwingend die Unwirksamkeit.
Im entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer geklagt, der im Rahmen eines Stellenabbaus entlassen worden war. Er war im Betrieb als Fachkraft für Arbeitssicherheit eingesetzt. Im Zuge der betrieblichen Umstrukturierung hatte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat einen „Interessenausgleich mit Namensliste“ und einen Sozialplan vereinbart. Auf der Liste stehen in alphabetischer Reihenfolge die Namen von 295 Arbeitnehmern, darunter der Name des Klägers, der seine Kündigung aus für unwirksam hielt.
Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 3 ASiG unwirksam. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Zustimmung des Betriebsrats zu bestellen und abzuberufen.
Indem allerdings der Betriebsrat bereits der Kündigung des Mitarbeiters zugestimmt hatte, hat er konkludent auch der Abberufung als Fachkraft für Arbeitssicherheit zugestimmt. »Mit der Kündigung […] ist die Abberufung aus der arbeitssicherheitsrechtlichen Funktion denknotwendig verbunden: Entfällt die vertragliche Verbindung zum Arbeitgeber, endet auch die Grundlage für ein Tätigwerden als Fachkraft für Arbeitssicherheit«, heißt es im Urteil. Ein Formerfordernis für die Abberufung gibt es nicht.
Das LAG setzt sich außerdem mit der Frage auseinander, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur Abberufung eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist, wie es vertreten wird.Nach Auffassung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung ohne Zustimmung zur Abberufung unwirksam, wenn sie auf Gründe gestützt wird, die sachlich mit der Tätigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit im untrennbaren Zusammenhang stehen, d.h. eine Bewertung dieser Tätigkeit beinhalten (BAG, Urteil vom 24.3.1988, Az.: 2 AZR 369/87). Ausdrücklich offen gelassen hat das BAG, ob dies auch gilt, wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen kündigt, es also keinen Bezug zur Tätigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit gibt (BAG 24. März 1988 – 2 AZR 369/87).
Das hält in dieser Fallkonstellation die Kündigung für wirksam. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Norm (§ 9 Abs. 3 ASiG) ließen darauf schließen, dass eine »kündigungsrechtliche Absicherung der Fachkraft für Arbeitssicherheit« gewollt sei.
»Nach allgemeiner Ansicht dient das Mitbestimmungsrecht der Stärkung der Unabhängigkeit der Amtsausübung und des Vertrauensverhältnisses zwischen den Fachkräften für Arbeitssicherheit und der Belegschaft. Dies spricht dafür, die fehlende Zustimmung zur Abberufung allein als betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzung zu interpretieren, die ohne Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung bleibt«, so das LAG mit Verweis auf das BAG (s.o.).
Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 ASiG unwirksam, also aufgrund einer unzulässigen Benachteiligung. Diese kann auch allein in der Kündigung liegen (BAG, Urteil vom 2.4. 1987, Az.: 2 AZR 227/86). Dann ist aber ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und der Erfüllung der Aufgaben erforderlich.
Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die Kündigung nicht auf Gründe gestützt, die inhaltlich mit seiner Tätigkeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit zusammenhängen, sondern betriebsbedingt wegen der Schließung der Abteilung für Arbeitssicherheit zum 31. Dezember 2013. Der Kläger hat keine hinreichenden Indizien vorgetragen, die den Schluss auf einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und seiner Tätigkeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit zulassen, was für eine andere Bewertung nötig gewesen wäre.
Das LAG setzte sich auch mit der Frage auseinander, welche Auswirkung die fehlende Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat. Diese betrifft die Entscheidung seitens des Arbeitgebers, welche der drei gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsformen für die Erledigung der Arbeitsschutz-Aufgaben zu wählen ist. Dazu führt das Gericht aus, dass die Rechtsprechung in Kündigungsrechtsstreitigkeiten stets zwischen den betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen einerseits und den kündigungsrechtlichen Auswirkungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmers andererseits unterschieden habe, was auch hier gelte. Demnach sei es nicht gerechtfertigt, die Wirksamkeit der Kündigung von Zustimmung des Betriebsrats zu einer vom Arbeitgeber geplanten betrieblichen Maßnahme abhängig zu machen.
Der gekündigte Arbeitnehmer rügte im Verfahren noch einen Verstoß gegen eine Betriebsvereinbarung, die vorsieht, eine „Dienststelle Arbeitssicherheit“ einzurichten. Daraus lasse sich aber nicht entnehmen, dass diese mit eigenen Arbeitnehmern besetzt werden müsse. Es genügt, dass der Arbeitgeber entsprechende Räumlichkeiten für den betriebsärztlichen Dienst und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit vorhält.
Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Der Betriebsrat war sowohl über die Person des Klägers und den Zeitpunkt der Kündigung als auch über die für die Beklagte maßgeblichen Kündigungsgründe hinreichend informiert, so das LAG. Der Arbeitgeber musste die dem Wegfall des Arbeitsplatzes und der Sozialauswahl zugrundeliegenden Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs bekannt waren, im Anhörungsverfahren nicht erneut mitteilen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das LAG die Revision zum BAG zugelassen.
Quelle:
LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.2015 Aktenzeichen: 4 Sa 951/14