Unklare Formulierungen oder eine fehlende Beteiligung eines bestehenden Betriebsrats gehen zu Lasten des Arbeitgebers.

In dem vorliegenden Fall klagten 3 Arbeitnehmer auf Zahlung von Urlaubsgeld. Die Arbeitgeberin verfasste jahrlang Rundschreiben, in welchen sie darlegte, unter welchen Voraussetzungen Mitarbeitende Urlaubsgeld erhielten. Bei den  Urlaubsgratifikationen ginge es um eine „einmalige, freiwillige und jederzeit widerrufliche soziale Leistung“.

2017 änderte die Arbeitgeberin in einem Rundschreiben die Gratifikationsvoraussetzungen geringfügig. Im Jahr 2020 erhielten die Arbeitnehmer kein Urlaubsgeld. Die Arbeitgeberin begründete dies mit einer angespannten wirtschaftlichen Situation.

 

Entscheidung des BAG

Nach der Entscheidung des BAG hatte die Beklagte zu Unrecht kein Urlaubsgeld gezahlt. Laut BAG resultiere der Urlaubsgeldanspruch aus dem ersten Rundschreiben (bereits 2008).

Die in dem Schreiben enthaltene Kombination aus Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt sei intransparent und demnach gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen. Der formulierte Vorbehalt sei deswegen nicht geeignet, das aus „wirtschaftlichen Gründen“ fehlende Urlaubsgeld für das Jahr 2020 zu rechtfertigen.

Mit den ab 2017 erfolgten Schreiben habe die Beklagte den Anspruch auch nicht inhaltlich verändern können.

 

Mibestimmung des Betriebsrats

Seit 2013 existierte nämlich ein Betriebsrat bei der Beklagten. War das Schreiben von 2008 mangels damals existierenden Betriebsrats noch ohne dessen Zustimmung möglich gewesen, so bedurfte es ab 2013 für eine Änderung der Vergütungsordnung der Mitwirkung des Betriebsrates siehe hierzu:

§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Insbesondere könne auch nicht in der stillschweigenden Hinnahme des Verhaltens der Arbeitgeberin durch den Betriebsrat eine Zustimmung gesehen werden.

Aufgrund der sog. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung konnten die Mitarbeitenden bei einer unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht vorgenommenen Änderung der Entlohnungsgrundsätze weiterhin eine Vergütung nach den zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Grundsätzen fordern.

FAZIT

Genäß BAG sollten Vereinbarungen klar und widerspruchslos formuliert sein.

Wird gleichzeitig von einer „freiwilligen“ Zuwendung gesprochen, steht dies einem Widerrufsvorbehalt entgegen.

Des Weiteren ist bei Änderungen von Vergütungsregelungen stets das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beachten.

BAG erneut deutlich macht (Urteil vom 21.02.2024 -10 AZR 345/22).

 

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Die Klägerin war als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Neben ihr waren zwei männliche Mitarbeiter in derselben Funktion beschäftigt. Die Beklagte hatte allen zunächst ein Grundentgelt aus. Einer der Kollegen verhandelte dann für einen gewissen Zeitraum ein höheres Grundgehalt mit der Beklagten, das diese auch auszahlte. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten, die Differenz zum (höheren) Entgelt ihres Kollegen an sie auszuzahlen – und bekam damit- überwiegend- Recht.  Nach Auffassung des BAG wurde die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, weil ihr ein niedrigeres Grundgehalt ausgezahlt wurde als ihrem männlichen Kollegen. Allein der Umstand, dass Beschäftigte mit verschiedenem Geschlecht und vergleichbarer Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden, begründet nach § 22 AGG die Vermutung, dass die schlechtere Bezahlung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Die Beklagte konnte diese Vermutung nicht widerlegen. Die Arbeitgeberin durfte sich hier nicht darauf berufen, dass der männliche Kollege die höhere Vergütung individuell ausgehandelt hatte. Das Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen ist kein objektiv geeignetes Kriterium, das eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen kann.  Zusätzlich zu der Gehaltsdifferenz wurde der Klägerin auch eine Entschädigungszahlung auf Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen, da in der niedrigeren Bezahlung ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gesehen wurde. Grundsätzlich bleiben Differenzierungen in Bezug auf das Gehalt bleiben zwischen Beschäftigten verschiedener Geschlechter zulässig – sie müssen nur objektiv und geschlechtsneutral begründet sein. Hierzu zählen insbesondere Berufserfahrung und Qualifikationen. Auskunftsansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz haben grundsätzlich nur Mitarbeiterinnen von Betrieben mit über 200 Arbeitnehmern. Das Urteil ist dennoch wegweisend.

Urteil des BAG vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21

Das Landes­arbeits­gericht Köln hat entschieden, dass Betriebs­rats­mitglieder – auch ohne nachts zu arbeiten – Nachtzuschläge erhalten, wenn vergleichbare Arbeitnehmer für ihre Arbeit Nachtzuschläge erhalten haben und das Betriebs­rats­mitglied ohne die Übernahme der Betriebs­rats­tätig­keit ebenso in der Nacht gearbeitet hätte.

Im zugrunde liegenden Streitfall klagte ein Arbeitnehmer eines Möbelhauses, der zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden war. Er war in Vollzeit in der Abteilung Logistik eingesetzt gewesen.  Nach der Wahl vereinbarten das Unternehmen und der Betriebsrat, dass der Kläger täglich für 3,5 Stunden für Betriebsratsarbeit von der Arbeit befreit wurde. Gleichzeitig wurde der Arbeitsbeginn für den Kläger einvernehmlich auf 6 Uhr verschoben, um für die Mitarbeiter die Kontaktaufnahme zu verbessern.

Der Angestellte hat Anspruch auf die durch die Betriebsratstätigkeit entgangenen Nachtzuschläge.

Das Landesarbeitsgericht Köln sprach dem Kläger die ihm in der Zeit von 4 Uhr bis 6 Uhr dadurch entgangenen Nachtzuschläge zu und begründete das im Wesentlichen mit § 37 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz. Danach darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Das Betriebsratsmitglied müsse daher so gestellt werden, als ob es keine Amtstätigkeit ausgeübt hätte.

RA Sagsöz, Dezernat Arbeitsrecht  0228 9619720